Am 20. Juni ist Weltflüchtlingstag. Nach aktuellen Zahlen des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge befinden sich weltweit beinahe 80 Millionen Menschen auf der Flucht. Kriege, politische Verfolgung, der Klimawandel oder vielfache Menschenrechtsverletzungen zwingen sie dazu. Oft ist es auch allein der Wunsch, ein Leben in Würde führen zu können. Ein Wunsch, der vielen ein Leben lang verwehrt bleibt.
In Chemnitz findet an diesem Tag alljährlich eine gemeinsame Aktion verschiedener lokaler Organisationen und Initiativen statt, die erstmals im Jahr 2016 von der lokalen Stadtgruppe von Amnesty International initiiert wurde. Auch in diesem Jahr wurde gemeinsam mit dem Sächsischen Flüchtlingsrat, Aufstehen gegen Rassismus, dem Lesben- und Schwulenverband und vielen anderen Akteuren eine humane Flüchtlingspolitik gefordert. Denn von dieser ist Europa so weit entfernt wie eh und je.
Im Jahr 2020 ist die Festung Europa eine bittere Realität für viele, die auf der Suche nach Schutz und einem Leben in Frieden ihre Heimat verlassen. Weiterhin ertrinken tausende Geflüchtete im Mittelmeer, während weitere tausende unter menschenunwürdigen Zuständen in den griechischen Flüchtlingslagern ausharren. Die aktuelle Corona-Pandemie trifft sie besonders hart, denn Social Distancing und andere Schutzvorkehrungen sind in überfüllten Camps wie Moria schlichtweg unmöglich.
Mit einer Aktion auf dem Chemnitzer Neumarkt wurde deshalb erneut die Forderung erhoben, die Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln sofort zu evakuieren, Griechenland humanitär zu unterstützen und alle Menschen aus den Lagern in der Europäischen Union zu verteilen. Deutschland hat die notwendigen Kapazitäten, um diesen Menschen Schutz und ein Leben in Würde zu ermöglichen, und zahlreiche deutsche Städte haben sich bereits zu einer Aufnahme bereiterklärt. Auch an die Stadt Chemnitz wurde die Forderung gerichtet, sich zum sicheren Hafen zu erklären. Der Chemnitzer Stadtrat hatte zuvor erklärt, monatlich jeweils eine Person zusätzlich zur Quote aus den griechischen Lagern aufzunehmen, jedoch sollen davon nur weibliche unbegleitete Geflüchtete bis maximal 14 Jahre umfasst sein. Gleichzeitig jedoch wird der Familiennachzug derjenigen Personen, die Angehörige in Deutschland haben, in zahlreichen Fällen verwehrt und sichere Fluchtwege damit verunmöglicht.
Die Chemnitzer Bürger*innen waren deshalb dazu aufgerufen, Schilder mit politischen Forderungen sowie symbolische Gegenstände, die mit Flucht in Verbindung gebracht werden – wie Rucksäcke, Schuhe oder Schwimmwesten – zum Neumarkt zu bringen und neben Kreidezeichnungen von Menschenumrissen zu legen. Damit wurde auf das tausendfache Sterben an Europas Außengrenzen aufmerksam gemacht. Mit einer Schweigeminute wurde denjenigen gedacht, die ihren Weg nach Europa mit dem Tod bezahlen mussten. In einem Redebeitrag prangerte Michelle Tredup für die Chemnitzer Amnesty International-Stadtgruppe die Doppelmoral der Bundesregierung an, sich zwar stets als Hüterin europäischer Werte zu präsentieren, aber gleichzeitig die Seenotrettung mit allen Mitteln zu behindern und eine humane Flüchtlingspolitik über Bord zu werfen. Der Redebeitrag kann HIER nachgelesen werden.
Amnesty International Sachsen dankt allen Anwesenden und beteiligten Organisationen und appelliert an die Bundesregierung, den Europäischen Staaten dabei zu helfen, Menschen aus den griechischen Flüchtlingslagern zu evakuieren und sie an Orten unterzubringen, wo sie mit dem Notwendigsten versorgt werden und vor der Coronapandemie geschützt sind. Amnesty fordert auch den Freistaat Sachsen und die Stadt Chemnitz auf, ihre Aufnahmekoningente für Geflüchtete zu erhöhen sowie diskriminierende Auswahlkriterien wie Geschlecht und Alter der Schutzsuchenden zurückzunehmen.
Der Appell von Amnesty International an Bundeskanzlerin Angela Merkel kann HIER unterzeichnet werden.